04.01.2020, 22:34
Vielleicht ist es an der Zeit, hier mal ein ganz grundsätzliches Problem zu diskutieren.
Wir schreiben uns hier alle die Finger wund über thermodynamische Probleme, und darunter sind einige wirklich sehr fundierte Beiträge, wie die von CigarNerd. Eine Prämisse aber bleibt merkwürdig unangetastet, nämlich die Gültigkeit der 70%-Regel an sich.
Woher kommt diese Regel? Ich denke, man kann sagen: Es ist schlichtweg ein langjähriger Erfahrungswert, der von vielen Menschen geteilt und bestätigt wird. Nicht weniger - aber auch nicht mehr. Im angloamer. Raum heißt es ja "to get your humidor nailed at 70-70"; die Temperatur von 70°F gilt also als zweiter Richtwert. Wer hinterfragt das, wer hat es je wirklich systematisch untersucht? Ich vermute, niemand.
Was es bräuchte, wäre eine wirklich systematische Untersuchung, die einmal diese Regel ganz genau unter die Lupe nimmt. Will heißen: Man nimmt wirklich mal an die Tausende Zigarren her, kubanische und nichtkubanische, und lagert sie wirklich unter Laborbedingungen bei genau geregelten Temperaturen und Feuchtelevels. Dann läßt man die Sticks von Dutzenden Testern blind verkosten, und wertet die Ergebnisse statistisch aus. Hierbei sollte dann auch darauf geachtet werden, alle möglichen anderen Faktoren statistisch herauszukorrigieren: Zigarren stets gemischt aus unterschiedlichen Chargen und Jahrgängen, geraucht wird ebenfalls unter normierten Bedingungen, die Stärke der Sticks könnte man als Einflußfaktoren bei der Gelegenheit auch betrachten usw. Also ein richtiges Big-Data-Projekt.
Ich finde, ohne so eine Untersuchung ist die rLF von 70% als "Erfahrungswert" irgendwie nicht besser als eine Art "Bauernregel", die den Bauern einst aufgrund jahrhundertelanger Erfahrung z.B. einen geeigneten Termin für die Aussaat empfahl. Und manche bäuerlichen Wetterregeln wurden ja tatsächlich statistisch untersucht und erwiesen sich als durchaus belastbar, andere erwiesen sich als nicht signifikant.
Stellen wir uns (ganz fiktiv) vor, unter Bauern habe es im 17. Jahrhundert eine Regel gegeben, daß man, wenn das Wetter an Ostern regnerisch ist, innerhalb von x Wochen nach Pfingsten ernten sollte, andernfalls später. Nun tritt die gregorianische Kalenderreform in Kraft, und die Bauern streiten sich fortan jahrelang über das "korrekte" Osterdatum, sowie über die Grenz-Niederschlagsmenge, ab der der Ostersonntag als "regnerisch" gilt. Niemand aber stellt die Bauernregel selbst in Frage, denn die gilt als in Stein gemeißelt, gerade so, als sei sie den Bauern auf dem Berge Sinai überreicht worden. So kommt mir diese ganze Diskussion vor. Versteht ihr, was ich meine?
Wir schreiben uns hier alle die Finger wund über thermodynamische Probleme, und darunter sind einige wirklich sehr fundierte Beiträge, wie die von CigarNerd. Eine Prämisse aber bleibt merkwürdig unangetastet, nämlich die Gültigkeit der 70%-Regel an sich.
Woher kommt diese Regel? Ich denke, man kann sagen: Es ist schlichtweg ein langjähriger Erfahrungswert, der von vielen Menschen geteilt und bestätigt wird. Nicht weniger - aber auch nicht mehr. Im angloamer. Raum heißt es ja "to get your humidor nailed at 70-70"; die Temperatur von 70°F gilt also als zweiter Richtwert. Wer hinterfragt das, wer hat es je wirklich systematisch untersucht? Ich vermute, niemand.
Was es bräuchte, wäre eine wirklich systematische Untersuchung, die einmal diese Regel ganz genau unter die Lupe nimmt. Will heißen: Man nimmt wirklich mal an die Tausende Zigarren her, kubanische und nichtkubanische, und lagert sie wirklich unter Laborbedingungen bei genau geregelten Temperaturen und Feuchtelevels. Dann läßt man die Sticks von Dutzenden Testern blind verkosten, und wertet die Ergebnisse statistisch aus. Hierbei sollte dann auch darauf geachtet werden, alle möglichen anderen Faktoren statistisch herauszukorrigieren: Zigarren stets gemischt aus unterschiedlichen Chargen und Jahrgängen, geraucht wird ebenfalls unter normierten Bedingungen, die Stärke der Sticks könnte man als Einflußfaktoren bei der Gelegenheit auch betrachten usw. Also ein richtiges Big-Data-Projekt.
Ich finde, ohne so eine Untersuchung ist die rLF von 70% als "Erfahrungswert" irgendwie nicht besser als eine Art "Bauernregel", die den Bauern einst aufgrund jahrhundertelanger Erfahrung z.B. einen geeigneten Termin für die Aussaat empfahl. Und manche bäuerlichen Wetterregeln wurden ja tatsächlich statistisch untersucht und erwiesen sich als durchaus belastbar, andere erwiesen sich als nicht signifikant.
Stellen wir uns (ganz fiktiv) vor, unter Bauern habe es im 17. Jahrhundert eine Regel gegeben, daß man, wenn das Wetter an Ostern regnerisch ist, innerhalb von x Wochen nach Pfingsten ernten sollte, andernfalls später. Nun tritt die gregorianische Kalenderreform in Kraft, und die Bauern streiten sich fortan jahrelang über das "korrekte" Osterdatum, sowie über die Grenz-Niederschlagsmenge, ab der der Ostersonntag als "regnerisch" gilt. Niemand aber stellt die Bauernregel selbst in Frage, denn die gilt als in Stein gemeißelt, gerade so, als sei sie den Bauern auf dem Berge Sinai überreicht worden. So kommt mir diese ganze Diskussion vor. Versteht ihr, was ich meine?