Beiträge: 2.192
Registriert seit: Jan 2019
Land:
20.04.2021, 13:32
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 20.04.2021, 13:32 von glenevil.)
Im Thread Neukäufe wurde die Frage aufgeworfen, ob und in welcher Form sich Whisky (oder anderer hochwertiger Alkohol) nach Öffnen der Flasche unter Einfluss von Sauerstoff verändert/verbessert und wie unsere Erfahrungen hiermit sind.
Ich finde das spannend und würde die Diskussion gerne hier hin verlagern.
Erfahrungsberichte über angebrochene Flaschen und subjektive bis objektive sensorische Beurteilungen, worüber könnt ihr berichten?
Ich fang mal mit meiner bescheidenen Sicht der Dinge an:
Bei hochwertigen Spirituosen ist das wohl normal und man muss, mal mehr, mal weniger, damit rechnen.
Während des Brennvorgangs trennt der Brennmeister den hochwertigen Middle-Cut von Vor- und Nachlauf, welche eine Vielzahl an unerwünschten flüchtigen Stoffen enthalten. Dies geschieht mal mehr oder weniger gewollt perfekt oder eben nicht und auch die Art der Destillation und die Anzahl der Durchläufe spielen eine Rolle. Da wir die aromatischen Bestandteile behalten und keinen absolut reinen, geschmacklosen Alkohol haben wollen, haben wir es also mit einem Produkt zu tun, das sich aufgrund seiner "Unreinheit", abhängig von dem Medium/Behältnis in dem es sich befindet, verändert und eben unter Oxidation auch verflüchtigt (Angels share!).
Auch wenn das Wasser des Lebens nach der Fassreifung in Flaschen abgefüllt wird, wurde das chemische Entwicklungspotential dadurch nicht getötet, sondern nur runtergefahren. Es lebt auch in der Flasche weiter und führt nach Jahren, abhängig von der Dichtigkeit sowohl zu sinkenden Füllständen, als auch zum sogenannten old bottle flavor (strittig).
Fakt ist aber, je mehr aromatisches Potential im Destillat enthalten ist, je mehr kann sich auch nach dem Öffnen der Flasche am Produkt verändern und somit gilt "Whisky muss atmen". Eine Faustregel sagt mindestens 1 Minute im Glas pro Jahr der Lagerung.
Ergo ist der Rückschluss erlaubt, das sich auch der Rest, der in der Flasche verbleibt, sich im Laufe der Wochen/Monate geschmacklich verändert.
Kleines, aber nettes Beispiel: Hatte vor zig Jahren mal eine Flasche Rum, ein Uitvlugt war es, mit 21 Jahren für Rum uralt und dennoch mit über 60% noch vital wie ein junger Stier. Dieser Rum strotzte nur so vor Ester-Noten, eigentlich ein Hinweis auf einen unsauber abgetrennten Vorlauf, was ihn anfangs auch fast ungenießbar machte. Die ersten Gläser musste man am besten mehrere Stunden vor dem Genuss bereits einschenken, aber als dann die Flasche halb leer war, hatten sich wesentliche Bestandteile dieser Ester-Noten verflüchtigt und zurück blieb ein Rum, der eine gute aromatische Balance erreicht hatte ... und fast jeden Islay in seine Schranken verwies
“It's a mix of Maui-Waui and Labrador” (Cheech Marin)
Beiträge: 2.116
Registriert seit: Dec 2019
Land:
Gute Idee, daraus einen extra-Thread zu machen
Hatte ja schon was dazu geschrieben und gerade vor ein paar Tagen eine Flasche Port Charlotte von Bruichladdich aufgemacht. Das erste Glas war noch richtig heftig vom Alkohol und der Schärfe, musste in kleinen Schlucken genossen werden. Bin mal gespannt, wie der in ein paar Wochen schmeckt, wenn der Sauerstoff seine Wirkung getan hat. Normalerweise wird der Whisky dann etwas weicher und runder - so zumindest meine Erfahrungen.
Es gibt ja etliche Techniken, die Sauerstoffmenge in der Flasche zu reduzieren (auffüllen mit Glasperlen z.B.) aber wie schon geschrieben, ich finde den Einfluss der Luft in aller Regel eher wohltuend.
Schmauchende Grüsse
Klaus
Beiträge: 2.192
Registriert seit: Jan 2019
Land:
Genau so isses Klaus, habe meine Glasmurmeln irgendwann an Kinder verschenkt ... die wussten allerdings gar nicht, was Murmeln sind
Berichte mal über die Veränderung des PC, auch mit den Eckdaten, also Alter, Vol., etc.
“It's a mix of Maui-Waui and Labrador” (Cheech Marin)
Beiträge: 481
Registriert seit: Aug 2019
Ja wie schon im anderen Thread geschrieben ganz meine Meinung nur, habe ich mal gehört das sie Flasche maximal 2 Jahre nach Anbruch getrunken werden sollte. Seht ihr das auch so ?
Beiträge: 2.116
Registriert seit: Dec 2019
Land:
Also im allgemeinen und speziell bei richtig gutem Whisky ist das mit den zwei Jahren ja eher kein Problem Aber wie auch im anderen Thread schon geschrieben, ich hatte Flaschen im hinteren Schrankteil vergessen, die waren auch nach 10 Jahren noch gut trinkbar, teilweise sogar richtig gut. Wegschütten hab ich noch keinen müssen ...
Schmauchende Grüsse
Klaus
Beiträge: 2.192
Registriert seit: Jan 2019
Land:
Diese Pauschalisierung, ob nun maximal 2, 3 oder 1 Jahr offene Standzeit halte ich für Mûmpitz, wie der Franzose sagt ... (alter Cliquenscherz, sorry). Letztendlich kommt es neben deinem persönlichen Geschmack auch hier auf viele weitere Faktoren an. Als erstes würde ich die Vol%Zahl anführen, da eine Buddel mit 40%, die dann auch noch kühlgefiltert ist, sicher eher an sensorischem Volumen verliert, als ein Destillat in Fassstärke oder zumindest ab 46% und nicht kühlgefiltert. Daneben beeinflusst natürlich auch der jeweilige Charakter des Sprits dessen mögliche Standzeit. Ein leichter Lowlander wie Auchentoshan wird bei 40% sicher eher die Flügel strecken als ein Islay ... usw.
Habe zB grade meine Flasche Linkwood gekillt, die ich im "Fump" vorgestellt habe. Der hatte im Verlauf seiner kurzen Standzeit jegliche alkoholische Schärfe verloren und wurde mit seinen 43% im letzten Drittel so süffig mit einem ausgeprägten Zitrus-Vanille-Bratapfel-Aroma, das der gar keine Chance hatte, noch älter zu werden ...
“It's a mix of Maui-Waui and Labrador” (Cheech Marin)
Beiträge: 2.116
Registriert seit: Dec 2019
Land:
Kann den ganzen Ausführungen nur zustimmen - sehr individuell wie der ganze Whiskygenuss.
(21.04.2021, 14:57)glenevil schrieb: Habe zB grade meine Flasche Linkwood gekillt, die ich im "Fump" vorgestellt habe. Der hatte im Verlauf seiner kurzen Standzeit jegliche alkoholische Schärfe verloren und wurde mit seinen 43% im letzten Drittel so süffig mit einem ausgeprägten Zitrus-Vanille-Bratapfel-Aroma, das der gar keine Chance hatte, noch älter zu werden ...
Ich mach das jetzt nicht ganz so akribisch, hab aber die gleiche Erfahrung gemacht. Die "Standzeit" braucht da gar nicht lang sein, um den Unterschied zu merken. Wie dann die langfristige Entwicklung erfolgt - s. oben. Bin erst durch diese Frage hier mal drauf gekommen, das genauer zu betrachten. Bisher war das eher intuitiv. Whisky kommt, die Neugier überwiegt, Flasche wird aufgemacht und probiert. Ein paar Tage später dann nochmal und dann fallen halt Veränderungen auf.
Schmauchende Grüsse
Klaus
Beiträge: 481
Registriert seit: Aug 2019
21.04.2021, 21:07
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 21.04.2021, 21:10 von Zerocool.)
(21.04.2021, 14:57)glenevil schrieb: Diese Pauschalisierung, ob nun maximal 2, 3 oder 1 Jahr offene Standzeit halte ich für Mûmpitz, wie der Franzose sagt ... (alter Cliquenscherz, sorry). Letztendlich kommt es neben deinem persönlichen Geschmack auch hier auf viele weitere Faktoren an. Als erstes würde ich die Vol%Zahl anführen, da eine Buddel mit 40%, die dann auch noch kühlgefiltert ist, sicher eher an sensorischem Volumen verliert, als ein Destillat in Fassstärke oder zumindest ab 46% und nicht kühlgefiltert. Daneben beeinflusst natürlich auch der jeweilige Charakter des Sprits dessen mögliche Standzeit. Ein leichter Lowlander wie Auchentoshan wird bei 40% sicher eher die Flügel strecken als ein Islay ... usw.
Habe zB grade meine Flasche Linkwood gekillt, die ich im "Fump" vorgestellt habe. Der hatte im Verlauf seiner kurzen Standzeit jegliche alkoholische Schärfe verloren und wurde mit seinen 43% im letzten Drittel so süffig mit einem ausgeprägten Zitrus-Vanille-Bratapfel-Aroma, das der gar keine Chance hatte, noch älter zu werden ...
Wie lange war die Flasche Offen ?
Den bei mir habe ich keine Flasche über 50 %
Die meisten ca46% , ich mag auch eher Whisky in Richtung Dahlwinni
Beiträge: 2.192
Registriert seit: Jan 2019
Land:
22.04.2021, 09:28
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 22.04.2021, 09:34 von glenevil.)
Zerocool schrieb:glenevil schrieb:Diese Pauschalisierung, ob nun maximal 2, 3 oder 1 Jahr offene Standzeit halte ich für Mûmpitz, wie der Franzose sagt ... (alter Cliquenscherz, sorry). Letztendlich kommt es neben deinem persönlichen Geschmack auch hier auf viele weitere Faktoren an. Als erstes würde ich die Vol%Zahl anführen, da eine Buddel mit 40%, die dann auch noch kühlgefiltert ist, sicher eher an sensorischem Volumen verliert, als ein Destillat in Fassstärke oder zumindest ab 46% und nicht kühlgefiltert. Daneben beeinflusst natürlich auch der jeweilige Charakter des Sprits dessen mögliche Standzeit. Ein leichter Lowlander wie Auchentoshan wird bei 40% sicher eher die Flügel strecken als ein Islay ... usw.
Habe zB grade meine Flasche Linkwood gekillt, die ich im "Fump" vorgestellt habe. Der hatte im Verlauf seiner kurzen Standzeit jegliche alkoholische Schärfe verloren und wurde mit seinen 43% im letzten Drittel so süffig mit einem ausgeprägten Zitrus-Vanille-Bratapfel-Aroma, das der gar keine Chance hatte, noch älter zu werden ...
Wie lange war die Flasche Offen ?
Den bei mir habe ich keine Flasche über 50 %
Die meisten ca46% , ich mag auch eher Whisky in Richtung Dahlwinni
Habe grade mal geschaut, der Post war vom 22.01., also fast genau 3 Monate ... und Überraschung, der Linkwood hatte nur 40% und dafür waren Körper und Struktur dieses Malts, insbesondere nach Sauerstoffaufnahme, einfach sensationell. Achja, wenn du Dalwhinni magst, solltest du mal einen Linkwood probieren, am besten von Gordon&MacPhail, oder aus der Fauna&Flora-Serie, könnte was für dich sein.
“It's a mix of Maui-Waui and Labrador” (Cheech Marin)
Beiträge: 481
Registriert seit: Aug 2019
(22.04.2021, 09:28)glenevil schrieb: Zerocool schrieb:glenevil schrieb:Diese Pauschalisierung, ob nun maximal 2, 3 oder 1 Jahr offene Standzeit halte ich für Mûmpitz, wie der Franzose sagt ... (alter Cliquenscherz, sorry). Letztendlich kommt es neben deinem persönlichen Geschmack auch hier auf viele weitere Faktoren an. Als erstes würde ich die Vol%Zahl anführen, da eine Buddel mit 40%, die dann auch noch kühlgefiltert ist, sicher eher an sensorischem Volumen verliert, als ein Destillat in Fassstärke oder zumindest ab 46% und nicht kühlgefiltert. Daneben beeinflusst natürlich auch der jeweilige Charakter des Sprits dessen mögliche Standzeit. Ein leichter Lowlander wie Auchentoshan wird bei 40% sicher eher die Flügel strecken als ein Islay ... usw.
Habe zB grade meine Flasche Linkwood gekillt, die ich im "Fump" vorgestellt habe. Der hatte im Verlauf seiner kurzen Standzeit jegliche alkoholische Schärfe verloren und wurde mit seinen 43% im letzten Drittel so süffig mit einem ausgeprägten Zitrus-Vanille-Bratapfel-Aroma, das der gar keine Chance hatte, noch älter zu werden ...
Wie lange war die Flasche Offen ?
Den bei mir habe ich keine Flasche über 50 %
Die meisten ca46% , ich mag auch eher Whisky in Richtung Dahlwinni
Habe grade mal geschaut, der Post war vom 22.01., also fast genau 3 Monate ... und Überraschung, der Linkwood hatte nur 40% und dafür waren Körper und Struktur dieses Malts, insbesondere nach Sauerstoffaufnahme, einfach sensationell. Achja, wenn du Dalwhinni magst, solltest du mal einen Linkwood probieren, am besten von Gordon&MacPhail, oder aus der Fauna&Flora-Serie, könnte was für dich sein.
Ok danke für den tip. Ich gehe mal auf die Suche.
|