30.06.2020, 12:21
(29.06.2020, 14:10)nitrofridi schrieb: Ich gehe schon davon aus das du leckere Customs rauchst, evtl. sogar direkt aus der Fabrik (auch wieder interessant das du immer wieder aber genau über diese? Fabriken herziehst)
Ich ziehe niemals über die Fabriken her, sondern weise allenfalls auf die Qualität der Ware hin, die aus diesen Fabriken stammt. Da schwingen bei einigen Foristen doch sehr viel Zigarrenromantik und zum Teil geradezu widersinnige Vorstellungen mit.
Wie Tabak und Zigarren den Weg aus der Fabrik auf den Schwarz- und Graumarkt finden, das ist ganz sicher kein Thema für ein Zigarrenforum. Aber ich kann ja mal ein paar bedenkenswerte Punkte in Sachen Zigarrenmarkt in Kuba aufzählen, die man öffentlich äußern kann:
- Ein Roller verdient etwa 20 Dollar im Monat für seine Akkordarbeit; eine Bier oder eine Flasche Speiseöl kosten einen Dollar (das Speiseöl im Moment eher vier oder fünf und das Bier zwei)
- Alle anderen Beschäftigten in einer Zigarrenfabrik verdienen nicht wirklich mehr und schon 2012 gab es nur noch in El Laguito jede Woche ein Paket Stumpen zum mitnehmen (mittlerweile herrscht Rauchverbot in den Fabriken; ob nun auch in El Laguito weiß ich nicht)
- Ein Tabakbauer bekommt staatlich festgesetzte Minipreise für seine Ernte und darf, wenn ich mich recht erinnere, zehn Prozent der Ernte behalten
- Ein Customanbieter mit staatlicher Genehmigung muss für jedes Blatt Tabak, dass er verrollt, eine Quittung vorweisen können; ansonsten droht Knast (Tabak aus dem vuelta arriba kann man aber nur schwer bis gar nicht gegen Beleg kaufen)
- des Tabakbauern die besten oder schlechtesten zehn Prozent Tabak behalten würde,
- des Fabrikarbeiters bzw. Rollers die besten oder schlechtesten Ergebnisse seiner Arbeit klauen würde (die Strafe aka Anzahl Jahre Knast ist jeweils die gleiche),
- als ängstlicher Roller versuchen würde, von 20 Dollar im Monat zu leben, oder zumindest seine Fähigkeiten auf dem freien Markt zusätzlich abzubieten, an dieser Stelle mit der Frage, wo der Forist denn gründlicher arbeiten würde: Beim Akkord in der Fabrik für einen Hungerlohn oder im heimischen Garten bei halbwegs anständiger Bezahlung.
Möglicherweise sind aus den genannten Gründen auch viele Customs nicht ganz so legal wie sie scheinen. Und gute Customroller dürfte man zukünftig auch immer weniger finden, denn die Kategorien wurden schon vor Jahren abgeschafft. Heute lernt ein Roller noch genau ein Format, das er dann in der Fabrik rollt.
Bei der Fabrikware gibt es dazu noch weitere Dinge zu beachten. Z. B. die Farbsortierung, weswegen es häufig Kisten gibt, bei denen sich der Inhalt in Sachen Geschmack (verschiedene Tabake) und Verarbeitung (Zug) erheblich unterscheidet. Gibt es bei Fakes nicht, da alles aus einer Hand kommt. Andererseits würde ich mich auch nicht darauf verlassen wollen, dass bei Stumpen aus der Fabrik verschiedene Anillas wirklich für unterschiedlichen Geschmack stehen.
Fassen wir also zusammen: Der Bauer gibt den besten Tabak gar nicht erst ab. Vom abgegebenen Tabak wird auf dem Weg zur Fabrik einiges geklaut, und sicher nicht der schlechtere Teil. In der Fabrik kommt dann auch wieder das eine oder andere abhanden, und auch da sicher nicht nur "Abfälle". Von dem was nicht abhanden kommt ist wiederum einiges - sagen wir - eher halbherzig verarbeitet. Und das kommt dann in die Kisten. Von denen dann ja unbestätigten Gerüchten zu Folge die Länder mit höheren Margen auch wieder die schöneren Exemplare erhalten sollen.
Also, viel Spaß beim Kistenkauf.